
Feuerland – eine Reise ans Ende der Welt
Feuerland weckt in mir Assoziationen an Entdecker und Abenteu(r)er, an extreme Landschaft mit Schnee und Eis und Sturm. Die Landschaft atemberaubend schön, die Natur wild und vielerorts unberührt. Bis heute sind weite Gebiete unbesiedelt, zu unwegsam, zu unwirtlich, zu zerfurcht die Fjordlandschaften der Küsten.
Klingt perfekt in meinen Ohren.
Feuerland ist der südlichste Zipfel Lateinamerikas, Argentinien teilt ihn sich mit Chile. Der argentinische „Zipfel“ wird im Norden von der Magellanstrasse und im Süden vom Beagle-Kanal begrenzt.
Der Name Feuerland stammt vom portugiesischen Seefahrer Magellan: Als dieser um 1520 die später nach ihm benannte Meerenge erkundete, sahen er und seine Männer nachts vom Schiff aus viele Feuer an Land und nannten es daraufhin Feuerland.
Während es in Deutschland gerade schneit (worüber ich mich stets freue wie ein kleines Kind), fliege ich im Januar 2025 in den argentinischen Sommer. Ganz untypisch für mich, aber ich will weiter nach Kap Horn, und da braucht es gemäßigte Wetterbedingungen, um an Land gehen zu können, und die gibt es eher in den Sommermonaten. In Buenos Aires ist es im Sommer heiß, aber im äußersten Süden angenehm. Die Einheimischen erklären mir, dass es in diesem Jahr außergewöhnlich warm ist – mit Temperaturen in Ushuaia um die 15 Grad.
Ushuaia
Feuerlands Hauptstadt heißt Ushuaia. Der Name kommt aus der Sprache der Ureinwohner Yámana und bedeutet so viel wie „Bucht, die nach Osten blickt“. Die Stadt hat knapp 83.000 Einwohner. Sie liegt am Beagle Kanal, eingeklemmt zwischen Wasser und dem steilen Hausberg Cerro Martial (1319 m).



Sie nennt sich selbst „die südlichste Stadt der Welt“. Tatsächlich ist das nicht ganz korrekt, denn das kleine chilenische Puerto Williams mit ca. 2000 Einwohnern liegt noch etwas weiter südlich. Man streitet darüber, ob das nicht eher ein Dorf, denn eine Stadt ist… Aber zumindest ist Ushuaia unbestritten die südlichste Stadt Argentiniens. Sie trägt den Beinamen „Fin del Mundo“ (dt. Ende der Welt). Und danach fühlt es sich tatsächlich an!
Hier lande ich am späten Vormittag mit dem Flugzeug aus Buenos Aires. (Meine Highlights aus der argentinische Hauptstadt gibt es hier.) Bis ich den Weg vom Flughafen in die Stadt zurück gelegt habe, zeigt sich etwas blauer Himmel und ab und zu kommt die Sonne durch. Überall sitzen Menschen am Ufer auf Bänken oder auf dem Rasen und genießen das gute Wetter. Immer wieder höre ich, dass das „kein patagonisches Wetter“ sei. Es sollte stürmen und regnen… Mir soll’s für heute recht sein. 😉

Wirklich hübsch ist Ushuaia nicht, eher … praktisch. Hier gibt es alles, womit sich Touristen eindecken wollen, bevor sie aufbrechen zu Wanderungen im Feuerland Nationalpark oder zu Expeditionsfahrten in die Antarktis. An der Hauptstrasse Avenida San Martín reihen sich Bekleidungsgeschäfte an Cafés, Souvenirläden an Restaurants. Doch Achtung! Das Preisniveau hier im Süden Argentiniens ist das höchste im ganzen Land. Es sind weite Wege zu überwinden, um die Waren hier hin zu schaffen – und das muss bezahlt werden!
Dennoch hier ein Café-Tipp: Tante Sara. Es gibt gleich zwei Filialen auf der Hauptstrasse (Nr. 175 und Nr. 701). Ich habe beide getestet. Großartige Törtchen, leckere Sandwiches – alles nicht wirklich günstig, aber ihren Preis wert. Bei der Freundlichkeit des Personals ist noch Luft nach oben, aber das kann ich ausblenden. 😉


Am Hafen gibt es eine ganze Reihe bunter, kleiner Hütten, in denen Tickets für verschiedene Ausflüge verkauft werden, z.B zur „Pinguininsel“ Isla Yécapasela.
Ich buche eine Schiffs-Tour auf dem Beagle-Kanal für den nächsten Tag.
Gleich nebenan steht das Ortsschild mit dem fotogenen Zusatz „Ende der Welt“. Entsprechend finden sich hier fortlaufend Touristen ein, um ihre Anwesenheit bilddokumentarisch festzuhalten. Den dazu passenden Stempel für den Pass (oder das Reisetagebuch?) gibt es im Tourist-Büro.



Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Die Sonne geht gerade auf und treibt mich nach draußen. Eine gute Stunde laufe ich am Wasser entlang zum Naturschutzgebiet Bahía Encerrada. In der Bucht entdecke ich jede Menge Vögel, u.a. patagonische Gänse und Bronzekiebitze, und sogar einen Seelöwen! Leider ist die vollständige Umrundung der Lagune aufgrund von Bauarbeiten an einer Strasse derzeit nicht möglich und ich muss den selben Weg zurück gehen. Das macht aber nichts. Die Aussicht auf den Ort und die umliegenden Berge ist großartig.



Hübsch sind im Licht der aufgehenden Sonne auch die kleinen Boote im Hafen und das Wrack der Saint Christopher, die hier 1957 auf Grund lief. Angeblich nahm sie im Zweiten Weltkrieg an der Landung in der Normandie (siehe auch hier), teil. Ich bin nicht sicher, ob das stimmt. Zumindest ist es ein hübsches Fotomotiv!



Kurz hinter dem Wrack biege ich ab in den Ort und laufe über die nahezu völlig leere Avenida San Martín. Außer mir ist nur eine „Gang“ von Straßenhunden unterwegs, die sich in gemächlichem Tempo durch die Straßen trollen. Als ich sie beobachte, fällt mir auf, dass an den Laternenmasten Futterstellen mit Hundefutter angebracht sind. Das gefällt mir!



Übrigens ist das Museum Marítimo y del Presidio de Ushuaia sehr lohnend. Es befinden sich gleich mehrere Museen in dem Gebäudekomplex des ehemaligen Gefängnisses. Es gibt Ausstellungen über die Antarktis, die argentinische Marine und die Stadtgeschichte von Ushuaia.
Besonders interessant fand ich aber das Gefängnis(-Museum). In den Jahren 1902 bis 1920 wurden Häftlinge aus Buenos Aires, überwiegend Gewalttäter, aber auch politische Gefangene, im Rahmen eines Strafkolonialisierungsprojekts unter der Präsidentschaft von Julio Roca, nach Feuerland geschickt. Sie mußten das Gefängnis-Gebäude bauen, in dem sich heute das Museum befindet (ein interessanter, sternförmiger Bau) Außerdem mussten sie beim Bau der Schmalspurbahn Ferrocarril Austral Fueguino mitarbeiten, einer Eisenbahnlinie, die die Gefangenen zu den Arbeitslagern im heutigen Feuerland-Nationalpark führte. 1947 wurde das Gefängnis aufgelöst.
Zu sehen sind die original belassenen Zellen und sanitären Einrichtungen. Und – wie soll ich sagen – bei deren Anblick wird einem sogar bei Sonne und ungewöhnlich hohen 15 Grad kalt!
Leider ist der Eintritt mit 40.000 Pesos ziemlich happig. Andererseits kann man sich tatsächlich stundenlang dort aufhalten, so viel gibt es zu sehen! Adresse: Gobernador Paz y Yaganes Ex Presidio. Geöffnet ist von 10 bis 20 Uhr.

Ushuaia hat (ähnlich wie Buenos Aires) eine ganze Reihe Graffitis. Natürlich auch ein Riesengroßes von Lionel Messi (etwas banal), aber auch einige kleinere, durchaus kunstvolle. Ich find’s cool!



Bootstour auf dem Beagle-Kanal zur Leuchtturm/Seelöwen-Insel
Ab Ushuaia sind verschiedene Boots-Ausflüge buchbar. Ich habe mich für eine 3-stündige Fahrt auf dem Beagle-Kanal zum Leuchtturm Les Eclaireurs entschieden. Auf dem Felsen mit dem Leuchtturm tummeln sich Königs-Kormorane und Seelöwen. Sehr sehenswert!
Der Leuchtturm selbst ist elf Meter hoch, in attraktivem Rot-Weiß gestrichen und trotzt seit 1918 auf der kleinen Felseninsel Wind und Wetter (und das heißt in Feuerland ja was)! Natürlich wird er gern als „Leuchtturm am Ende der Welt“ bezeichnet. Das ziehen die hier durch! 😉 Bemannt ist der Leuchtturm nicht mehr, er wird heute mit Sonnenenergie betrieben.



Auch die Landschaft drum herum, mit teilweise schneebedeckten Bergen begeistert mich. Und die Aussicht auf die Stadt Ushuaia und den dahinter liegenden Berg Martial ebenfalls.



Ein Landgang ist vorgesehen auf Isla Bridges. Bei einem Spaziergang über die Insel erklärt die fröhliche Tourguide einiges zu Flora und Fauna. Wenig fachmännisch fasse ich zusammen: Schön isses hier! Türkisfarbenes Wasser und Schneeberge. Viel mehr braucht es doch eigentlich nicht, oder? Im Netz habe ich Bilder aus dem Winter mit Schnee gesehen. Hm. Auch höchst attraktiv… Ich habe weiterhin das Wetter, bei dem die Einheimischen fassungslos den Kopf schütteln: knapp 20 Grad und Sonne.



Wanderung zum Gletscher Martial
Eine kleine Ahnung davon, dass hier tatsächlich nicht immer die Sonne scheint, bekomme ich bei der Wanderung zum Martial Gletscher. Hier fegt ein doch recht frischer Wind (ich weiß, es ist ein laues Lüftchen gegen das, was hier sonst möglich ist).
Mit dem Taxi fahre ich zur Talstation des ehemaligen Ski-Lifts, den es allerdings schon einige Jahre nicht mehr gibt, und dessen Wiederinbetriebnahme offenbar auch nicht geplant ist. Hier befindet sich der Startpunkt zur Wanderung. Wer fitter ist als ich, kann natürlich auch zu Fuß aus dem Ort aufsteigen.
Seit 2025 muss man für den Wanderweg Eintritt bezahlen, umgerechnet etwa zehn Euro. Das Tickethäuschen steht neben dem Gebäude des Skilifts.



Ich weiß auch nicht, als ich in der Vorbereitung zur Reise über diese Wanderung gelesen habe, klang das alles ganz toll und lohnend. Jetzt bin ich leider etwas enttäuscht. Vielleicht, weil ich am Ende der Welt für einen letztlich nur mäßig interessanten Wanderweg Eintritt bezahlen soll. Oder weil doch recht viele andere (Kreuzfahrtschiff-)Touristen unterwegs sind? Oder weil der Gletscher ob des warmen Wetters sich immer weiter zurück zieht? Wie auch immer, der Weg erfüllt meine Erwartungen nicht.



Immerhin: Der Weg ist gut ausgeschildert, und die Aussicht von oben auf Stadt, Beagle-Kanal und die chilenischen Anden im Hintergrund ist toll. Ach, und der Bach, der im unteren Teil neben dem Weg entlang fließt, ist auch hübsch. Also alles nicht so schlimm! 😉

Wanderung im NP Feuerland: Senda Costera
Aber jetzt kommt mein Highlight! Die Wanderung entlang des Senda Costera im Parque Nacional Tierra del Fuego (dt. Feuerland Nationalpark). Dieser liegt nur etwa 18 Kilometer über die (hier) unasphaltierte Ruta 3 von Ushuaia entfernt.



Der Nationalpark kostet 40.000 Pesos Eintritt (Stand Januar 2025). In den letzten Jahren explodieren die Preise leider. Tickets gibt es beim „Ticket-Office“ am Parkeingang.
Meine erste Station ist die Zaratiegui Bucht. Hier befindet sich „das Postamt am Ende der Welt“ (Correo del Fin del Mundo). Zuweilen wird es als das südlichste Postamt der Welt bezeichnet. Das stimmt allerdings (schon wieder) nicht. Es steht jedenfalls fotogen auf einem Steg über dem Wasser und ist allein deswegen sehenswert. Leider ist es zur Zeit geschlossen.

Hier starte ich zum sensationell schönen acht Kilometer langen Küstenwanderweg Senda Costera. Über schroffe Steilklippen und die Wurzeln der windgepeitschten Lenga-Wälder geht es in gemächlichem Auf und Ab entlang am Ufer des Beagle Kanals, immer mit Blick auf die schneebedeckte Anden, die schon zu Chile gehören. Hinter jeder Biegung tauchen neue kleine und größere Buchten mit teilweise türkisfarbenem Wasser auf. Ich bin hingerissen!



Ich kann mich kaum entscheiden, welche Bilder ich hier zeigen soll. Ich finde hier einfach alles schön und zeigenswert!



Was vielleicht auch zu diesem für mich besonders positiven Erlebnis beiträgt, ist der Umstand, dass mir kaum andere Wanderer entgegen kommen. Ist das zu fassen?! Und das Wetter! Schon wieder ganz viel Sonne!



Die Wanderung endet in der Lapataia Bucht.
Hier gibt es – neben schöner Landschaft – eine Art „Sehenswürdigkeit“: das Schild, das das Ende der Panamericana, die in Argentinien Ruta Nacional 3 heißt, verkündet. Sie führt von hier in 3.079 Kilometern nach Buenos Aires bzw. von der Hauptstadt ans Ende der Welt.
In den 1940er Jahren wurde eine Kontinent-übergreifende Straßenverbindung von Alaska bis Feuerland beschlossen, die Panamericana – ein Sehnsucht-Tripp für viele Abenteurer. Nur ein kurzes Stück zwischen Panama und Kolumbien fehlt (der sogenannte Darian Gap), um die gesamte Strecke per Auto zurücklegen zu können. Hier jedenfalls endet sie.


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