Besondere Friedhöfe der Welt
Als Kind war ich in den Schulferien regelmäßig bei meiner Oma in Hamburg. Ein fester Bestandteil unserer Aktivitäten war der Besuch auf dem Ohlsdorfer Friedhof, wo wir ein Familiengrab haben. Als Kind kannte ich die verstorbenen Familienmitglieder nicht, da war der Tod etwas Abstraktes. Die Besuche dort waren Spaziergänge mit netten Gesprächen mit meiner Oma in landschaftlich schöner Umgebung. Vielleicht liegt es an dieser Erfahrung, dass Friedhöfe etwas Positives für mich sind. Je verwunschener und eingewachsener, desto besser.
Wenn ich die Möglichkeit habe, besuche ich auch auf Reisen Friedhöfe. Ich sehe mir die Grabsteine an und lese die Inschriften. Manchmal rührt mich ein viel zu kurzes Leben, eine liebevolle Botschaft oder ein besonders kunstvoller Grabstein, manchmal schaudere ich vor allzuviel Skurilität bei der Grabgestaltung. Und manchmal spinne ich mir Geschichten zusammen, wer da gemeinsam beerdigt liegt, wie die Verstorbenen zu ihren Namen kamen oder was passiert ist, wenn mehrere das gleiche Todesdatum haben.
Hier eine Liste von Friedhöfen, die mich aus unterschiedlichen Gründen besonders beeindruckt haben.
Hamburg: Ohlsdorfer Friedhof
Besonders: der größte Parkfriedhof der Welt
Da meine „Vorliebe“ für Friedhöfe hier begann, startet diese Liste natürlich auch in Hamburg.
Der Friedhof Ohlsdorf im gleichnamigen Stadtteil ist der größte Parkfriedhof der Welt. Und tatsächlich merkt man an vielen Stellen kaum, dass es ein Friedhof ist. Er taugt also bestens für einen Spaziergang durch den Park! Man kann hier locker einen halben Tag verbringen, das Gelände ist wunderschön und ruhig, an manchen Stellen regelrecht verwunschen. Es gibt kleine Seen, Brunnen (z.B. den schmiedeeisernen Margarethenbrunnen mit einem Phönix auf der Brunnenspitze), einen Rosengarten, einen historischen Wasserturm, mehrere Kapellen (ganze 13, um genau zu sein), Gedenkstätten und viele schöne Mausoleen.
Der Friedhof stammt aus dem Jahr 1877 und ist sagenhafte vier Quadratkilometer groß. Hier fahren sogar Linienbusse!
Ein Besuch des Friedhofs lohnt zu jeder Jahreszeit, besonders schön ist es aber Ende Mai / Anfang Juni, wenn die riesigen Rhododendren blühen, sowie im Herbst, wenn sich das Laub bunt verfärbt (am besten mit Nebel)!
Uwe Seeler, Helmut Schmidt, Hans Albers, Heidi Kabel, Inge Meysel, Heinz Ehrhardt, Jan Fedder, Roger Cicero, James Last – das ist nur eine kleine Auswahl an berühmten Persönlichkeiten, die hier beerdigt sind.
Es werden Führungen angeboten, die einen guten Überblick geben zu den größten Sehenswürdigkeiten. Außerdem gibt es eine (leider kostenpflichtige) App, mit deren Hilfe die Gräber berühmter Hamburger gefunden werden können. Alternativ bietet der Friedhof kostenlose Broschüren an mit Spaziergängen, die unter anderem zu einigen Prominentengräbern führen. Ansonsten helfen auch Informationstafeln bei der Orientierung auf dem weitläufigen Gelände.
Der Friedhof hat vier Eingänge (auch für Autos). Der Haupteingang liegt gegenüber der Haltestelle Ohlsdorf (Linien S1 und U1). Hier befindet sich auch das historische Verwaltungsgebäude (s. Foto oben links). Im Gebäude gibt es warme und saubere Toiletten. Falls das Gebäude nicht geöffnet ist, gibt es öffentliche (weniger saubere) Toiletten im ehemaligen Info-Häuschen an der Bushaltestelle „Haupteingang Ohlsdorf“.
Berlin: Jüdischer Friedhof Weißensee
Besonders: der flächenmäßig größte erhaltene jüdische Friedhof Europas
Wunderbar urig ist der jüdische Friedhof in Berlin Weißensee. Er ist einer der größten und bedeutendsten jüdischen Friedhöfe Europas, mit über 115.000 Gräbern. Eröffnet wurde er 1880 und spiegelt die reiche Geschichte der jüdischen Gemeinde in Berlin wider, die bis ins 13. Jahrhundert zurück reicht.
Das Besondere an jüdischen Friedhöfen ist, dass sie nicht geschmückt werden. Die Grabsteine sind mitunter durchaus sehr kunstvoll gestaltet, aber die Grabstellen werden nicht bepflanzt. Einmal aufgestellt, werden die Grabsteine sich selbst, bzw. der Natur überlassen. Moos und die Wurzeln der auf dem Gelände wachsenden Bäume und Büsche wachsen über die Steine – das hat etwas absolut Mystisches. Auf mich wirkt das gesamte weitläufige, parkähnliche Gelände wie verzaubert.
Seit den 1970er Jahren steht der Friedhof unter Denkmalschutz.
Es gibt einen umfangreicheren Artikel von mir über den jüdischen Friedhof Weißensee mit mehr Bildern hier.
Und hier noch der Verweis auf einen kleinen weiteren zauberschönen Berliner Friedhof im eher wenig bekannten Stadtteil Friedenau: der Friedhof in der Stubenrauchstrasse (auch Friedhof Schöneberg III). Mehr dazu gibt es hier.
Tschechien: Alter jüdischer Friedhof in Prag
Besonders: über 12.000 Grabsteine auf engstem Raum
Der alte jüdische Friedhof in Prag wurde im 15. Jahrhundert gegründet und ist damit ebenfalls einer der ältesten jüdischen Friedhöfe in Europa.
Der Umfang des Friedhofes entspricht bis heute nahezu seinen mittelalterlichen Ausmaßen, da es im Ghetto keine Erweiterungsmöglichkeiten gegeben hatte. Die Gräber wurden aus der Not heraus übereinander in bis zu zwölf (!) Schichten angelegt. So entstand eine beeindruckende und einzigartige Landschaft von Grabsteinen, die in verschiedenen Winkeln und Höhen angeordnet sind.
Der Friedhof beherbergt auch die Gräber vieler prominenter jüdischer Persönlichkeiten, darunter der berühmte Rabbi Judah Loew Ben Bezalel. Die Inschriften auf den Grabsteinen sind oft sehr kunstvoll gestaltet.
Mehr zum jüdischen Viertel und dem alten jüdischen Friedhof, sowie einem weiteren schönen Friedhof in Prag, dem tschechischen Nationalfriedhof Slavin auf Hochburg Vyserad, gibt es in meinem Artikel „Drei Tage in Prag“: hier.
Österreich: Wiener Zentralfriedhof
Besonders: Nach Anzahl der Bestatteten der größte europäische Friedhof
Der Wiener Zentralfriedhof wurde 1874 eröffnet. Er ist riesig, genau genommen fast zweieinhalb Quadratkilometer, womit er auf Platz 3 der größten Friedhöfe Europas liegt. Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung war es noch Platz 1. Aber was die Zahl der Bestatteten angeht, ist er weiterhin Spitzenreiter: etwa 330.000 Gräber mit ca. drei Millionen Verstorbenen. Die Strassenbahn (Linie 11 und 71), bzw. Bim, wie es in Wien heißt, hat ganze vier Haltestellen (Tor 1-4), die zum Friedhof führen. Haupteingang ist übrigens Tor 2!
Es ist möglich per Auto auf den Friedhof zu fahren (gegen Gebühr) oder mit dem Friedhofbus Linie 106, der einen Rundweg übers Gelände fährt.
Der Zentralfriedhof beherbergt die Gräber zahlreicher prominenter Persönlichkeiten, darunter Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Franz Schubert oder Johann Strauss, aber auch zeitgenössische Ehrengräber von Udo Jürgens, Falco, Curd Jürgens, Hans Moser oder Manfred Deix. Es gibt extra Bereiche für Ehrengräber, besondere Berufsgruppen, die Präsidentengruft, aber auch einen Baby-Friedhof. Und sogar einen Tierfriedhof.
Es macht sich bemerkbar, dass der Friedhof auf freier Fläche geplant angelegt wurde, so dass von Anfang an viel Gestaltungs-Freiraum gegen war. Die beeindruckende Anlage mit weitläufigen Alleen und interessanter Architektur lädt definitiv zu Spaziergängen ein. Allein die Größe der Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus von Max Hegele ist imposant!
Viele der alten Gräber weisen zauberhafte Jugendstil-Elemente auf oder sind anderweitig liebe- und kunstvoll verziert.
Der Zentralfriedhof ist auch ein wichtiger Ort für die jüdische Gemeinde Wiens, mit einem eigenen jüdischen Abschnitt bei Tor 4.
Der Friedhof ist ein Ort der Ruhe, heißt es. Wie eigentlich jeder Friedhof. Bei meinem Besuch im Oktober 2024 waren allerdings Heerscharen von Laubbläsern unterwegs, was ich reichlich befremdlich fand. Aber das wird vermutlich nicht immer so sein. 😉
England: Highgate Cemetery in London
Besonders: zählt zu den schönsten Friedhöfen der Welt
Der Highgate Cemetery stammt aus der Viktorianischen Zeit (Eröffnung 1839). Er befindet sich im Bezirk Camden.
Etwa 170.000 Gräber umfasst dieser Friedhof, womit auch er zu einem der größten Friedhöfe Europas zählt.
Hier ist es ganz besonders verwunschen. Bereits mehrere Vampir-Filme wurden hier gedreht. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die hier ruhen, zählen Karl Marx und George Michael.
Schottland: Greyfriars Kirkyard in Edinburgh
Besonders: Grabstätte von Thomas Riddell aka Lord Voldemort
Der Greyfriars Kirkyard ist ein eher kleiner Friedhof im Zentrum von Edinburgh, nur wenige Schritte entfernt vom quirligen Treiben auf dem Grassmarket. Er liegt im Schatten der großen Greyfriars Kirk und ist umgeben von hohen Mauern, in die Grabplatten eingearbeitet oder angelehnt sind. Begräbnisse finden hier seit dem späten 16. Jahrhundert statt.
Der Friedhof ist wirklich wunderschön. Tagsüber ist er jedoch völlig überlaufen, denn er ist zu einer Art Pilgerstätte für Potterheads geworden, seit ruchbar wurde, dass sich J.K. Rowling hier Inspiration für ihre Harry Potter Bücher holte. So findet sich hier das Grab des (echten) Thomas Riddell (der in Harry Potter später Lord Voldemort wird), und auch die Namen McGonagall und Moody sind hier vertreten.
Eine weitere (und ältere) Geschichte um den Friedhof ist die des Skye Terriers Greyfriars Bobby. Dieser war angeblich so anhänglich, dass er auch nach dem Tod seines Herrchens nicht von dessen Seite wich und auf dem Friedhof bis zu seinem eigenen Tod lebte. In Erinnerung an ihn, den Hund, wurde eine Bronze-Statue aufgestellt, die vor dem gleichnamigen Pub steht.
Ach, und natürlich spukt es auf diesem Friedhof. Ein Poltergeist geht um, heißt es. Entsprechende Führungen sind buchbar. Nichts für mich! 😉
Frankreich: Amerikanischer Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer
Besonders: die Menge der Toten bezogen auf das Sterbedatum
In der Normandie, in Frankreich, gibt es jede Menge Soldaten-Friedhöfe. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viele Tote es hier allein am D-Day, dem ersten Tag der Alliierten-Invasion während des zweiten Weltkrieges, gegeben hat.
Besonders beeindruckt hat mich der Amerikanische Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer. Er liegt oberhalb des damals heiß umkämpften Abschnitts Omaha Beach. Hier befinden sich 9.387 Gräber und einem Mahnmal für 1.557 Vermisste der US-Armee. Die Grabsteine sind alle gleich und stehen in Reih und Glied. Das veranschaulicht auf bedrückendste Art und Weise die Menge der Gefallenen – allein auf amerikanischer Seite!
Einige Szenen des Films „Der Soldat James Ryan“ wurden hier gedreht.
Es gibt in der Normandie auch mehrere deutsche Soldatenfriedhöfe, von denen der in La Cambe mit über 21.000 Gefallenen der größte ist.
Italien: Campo Teutonico in Rom
Besonders: die Lage im Vatikan
Campo Santo Teutonico ist ein deutscher Friedhof auf dem Gelände des Vatikans. Obwohl dies der einzige Friedhof innerhalb der Mauern der Vatikanstadt ist und er direkt neben dem Petersdom liegt, gehört er zum italienischen und nicht zum vatikanischen Staatsgebiet. Der Zugang ist allerdings nur über vatikanisches Territorium möglich und wird von der Schweitzer Garde bewacht. Wenn man sich als Deutscher zu erkennen gibt (Ansprache auf Deutsch genügt), darf man passieren. Das fühlt sich ein bisschen komisch an, wenn anderen der Zugang verwehrt bleibt, man selbst aber durch darf. 😉
Der Friedhof selbst ist recht klein, hübsch und grün. Baumbestand (auch Palmen) sorgt für Schatten.
Österreich: Lessach
Besonders: Einheitliche Grabgestaltung
Der Friedhof in Lessach im österreichischen Lungau gilt weltweit als einzigartig und kunsthistorisch. Seit dem 17. Jahrhundert werden hier rund um die hübsche Pfarrkirche alle Grabhügel einheitlich rechteckig mit silber und schwarz bemalten Lärchenholz-Brettern, eingefasst, die mit Sprüchen versehen sind. Diese Truhengrabmähler (oder auch Sarchen) sind alle einheitlich gestaltet, wie auch „alle Menschen vor Gott gleich sind“.
Alaska, USA: Pioneer Cemetery in Valdez
Besonders: tragische Geschichte(n)
Im US-Bundesstaat Alaska gibt es eine ganze Reihe kleiner Pionier-Friedhöfe. Besonders angetan hat es mir der Valdez Pioneer Cemetery am Walter Day Memorial Drive, etwas außerhalb der Stadt. Er stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert. Ehrlicherweise ist von diesem Friedhof nicht mehr viel übrig. Vernachlässigung, Erdbeben und Überschwemmungen haben hier viel zerstört.
Trotzdem hat mich dieser Ort in besonderer Weise berührt. Beim Blick auf die umliegenden hohen, steilen und schroffen Berge habe ich mir ausgemalt, wie es für die ersten Siedler, zumeist Goldsucher, gewesen sein muss, als sie hier mit dem Schiff ankamen. Es gab keinen Hafen, keine Strassen oder Wege, keine medizinische Versorgung, stattdessen viel Schnee und Eis.
Der Ort Valdez wurde offiziell erst 1898 gegründet. Nach den ersten Goldfunden in Dawson City wurde schnell ein Hafen für die nachdrängenden Goldsucher und der Valdez-Trail gebaut.
Wer also hier ankam, machte sich gleich auf den Weg weiter Richtung Norden, hin zum Gold. Eine Reise unter schwersten Bedingungen. Viele starben, bevor sie den Klondike-River überhaupt erreichten. Weit weg von der Heimat. Ich finde den Gedanken schaurig…
Ebenfalls in Alaska, etwa 45 Kilometer nördlich von Anchorage, liegt das Native Village of Eklutna. Dort haben mir die bunten „Geisterhäuschen“ sehr gefallen! Die bunten Gräber wirken so fröhlich.
Erbaulich nach meinen trüben Gedanken in Valdez!
Madagaskar: Piratenfriedhof auf Sainte Marie (Nosy Boraha)
Besonders: Was soll ich sagen? Piraten!!!
Vorweg: Sainte Marie ist eine nicht mal 50 Kilometer lange und zwei bis sieben Kilometer breite Insel, nur wenige Kilometer vor der madagassischen Ostküste gelegen. Um 1700 herum war die Insel wegen ihrer Nähe zu den Handelsrouten nach Asien ein bedeutender Stützpunkt für Piraten im Indischen Ozean.
Ein zauberhafter kleiner Piratenfriedhof stammt aus dieser Zeit. Ganz, wie man sich das vorstellt, mit eingemeißelten Totenköpfen auf den Grabsteinen! Als ich dort war, waren mein Begleiter und ich dort komplett alleine. Plötzlich fing es wie aus Eimern an zu schütten, ein echter Wolkenbruch. Deutlich mehr als nur Niesel. Aber sehr stimmungsvoll! 😉
Argentinien: La Recoleta in Buenos Aires
coming soon (2025)