Danzig
In der Vorbereitung auf die Reise las ich, dass Danzig (polnisch: Gdańsk) als eine der schönsten Städte Mitteleuropas gilt. Mein Eindruck ist, dass Danzig gerade ein sehr angesagtes Reiseziel ist. Ich bin also voll trendy, als ich im Oktober 2025 ein paar Tage die Perle der Ostsee besuche. Zum Glück halten sich um diese Jahreszeit die Besuchermassen dennoch in Grenzen!
Zwar hat Danzig ganzjährig Saison, im Oktober aber sind verhältnismäßig wenig Besucher unterwegs. Und es besteht Chance auf nebeliges Wetter, wie ich es gern mag. Bei herbstlichen Temperaturen gibt es zum Aufwärmen zwischendurch jede Menge gemütliche Cafés. Regentage sind hier übrigens auch nicht dramatisch: Die Stadt hat jede Menge interessante Museen zu bieten!
Danzig liegt an der Mündung der Weichsel in die Danziger Bucht. Die alte Hansestadt an der Ostsee ist mit ihren zahlreichen Werften und dem großen Seehafen ein bedeutender Handelsstandort. Mit über 470.000 Einwohnern ist Danzig die sechstgrößte Stadt Polens. Zusammen mit der Hafenstadt Gdynia (Gdingen) und dem Seebad Sopot (Zoppot) bildet Danzig die Metropolregion Dreistadt (Trójmiasto), in der mehr als 1,2 Millionen Menschen leben.
Während des 2. Weltkrieges wurden viele Gebäude stark beschädigt oder zerstört, doch in den Nachkriegsjahren wurde die Innenstadt mehr oder weniger originalgetreu wieder aufgebaut. Sie läßt sich wunderbar zu Fuss erkunden, zumal große Bereiche ohnehin Fußgängerzone sind. Und es gibt in meinen Augen keine bessere Art, eine Stadt zu erkunden, als zu Fuss.
Rechtstadt
Die Rechtstadt (Główne Miasto) und die Altstadt (Stare Miasto) sind zwei historische Stadtteile, die zusammen das Zentrum Danzigs bilden, sich aber historisch und architektonisch unterscheiden.
Die Altstadt – es sagt schon der Name – ist älter als die Rechtstadt, dafür aber nicht ganz so prachtvoll. Die Rechtstadt gilt als die eigentliche Innenstadt und ist das Herzstück der Stadt. Hier wohnten reiche, zumeist deutsche Kaufleute, sie war „ein Zentrum des Handels und der Macht“.
Ich beginne meinen Stadtrundgang also in der Rechtstadt, genauer gesagt am Kohlenmarkt (Targ Węglowy). Hier steht das Hohe Tor.
Hohes Tor, Stockturm und Goldenes Tor
Genau genommen sind es sogar drei Stadttore, durch die ich gehen muss, um zum Langen Markt, der Hauptstraße des historischen Danzigs, zu kommen.
Hohes Tor
Das imposante Hohe Tor (Brama Wyżynna) ist ein Renaissance-Stadttor von 1588. Es erinnert an einen Triumphbogen und markiert den Beginn des Königswegs, auf dem Monarchen in die Stadt einzogen. Damals war dies der Hauptzugang zur Stadt. Auf seiner Sandsteinfassade sind die Wappen Polens (Mitte), Preußens und Danzigs dargestellt. Heute befindet sich hier eine Tourist-Info.
Ich muss gestehen, dass ich bei der Reisevorbereitung ein wenig verwirrt war ob der Fülle an Namen und Toren und mir nicht recht vorstellen konnte, wie sich das vor Ort zueinander verhält. Letztlich ist es aber recht simpel: Da stehen tatsächlich drei recht eindrucksvolle Tore auf engstem Raum hintereinander. Und wenn man es ganz genau nimmt, ist es sogar noch eins mehr, denn der Stockturm hat nämlich eigentlich zwei Tore mit Innenhof.

Stockturm und Peinkammer
Der Stockturm (= Kerkerturm; pol. Wieża Więzienna) und die Peinkammer (Katownia) sind durch meterdicke Mauern miteinander zum Vortor verbunden. Sie waren erst Teil der Befestigungsanlagen und fungierten dann bis 1861 als Gericht. Praktischerweise war das Gefängnis ebenfalls hier untergebracht. Im Innenhof sind allerlei Ketten anzusehen (und anzulegen).
Heute gibt es hier wechselnden Ausstellungen und vom Turm eine schöne Aussicht auf die Langgasse.



Goldenes Tor und Georgshalle
Das Goldene Tor (auch Langgasser Tor, pl. Złota Brama) markiert nun endlich den Eingang zur Langgasse. Als ich im Oktober 2025 hier bin, wird es leider renoviert und ist leider eingerüstet.
Das Goldene Tor wurde 1612–1614 von den Architekten Abraham van den Blocke und Jan Strakowski – wie auch das Hohe Tor – im Stil eines römischen Triumphbogens konzipiert. Das Gebäude wirkt tatsächlich eher wie ein ein Palais als wie ein klassisches Stadttor.

In goldener Schrift steht (auf Deutsch!) über dem Eingangsbogen „Es müsse Wohlergehen denen, die dich lieben – Es müsse Friede sein inwendig in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen.“
Im 2. Weltkrieg wurde das Tor stark beschädigt und 1957 wieder aufgebaut.
Direkt neben dem Goldenen Tor befindet sich die Georgshalle (Dwór Św. Jerzego), ein schlossähnlicher Backsteinbau aus dem Jahr 1494 der exklusiven Sankt-Georgs-Bruderschaft.

Langgasse und Langer Markt
Die Langgasse (ul. Długa) ist Danzigs repräsentative Vorzeigemeile, das Herzstück der Rechtstadt, die historische Prachtstraße, eine Sehenswürdigkeit der Superlative!
Hier reiht sich ein prächtiges Patrizierhaus an das nächste imposante Giebelhaus, ein architektonisches Juwel jagt das nächste. Die Häuser sind zum Teil fünfstöckig (!), größtenteils jedoch sehr schmal, da Grund und Boden bereits damals unverschämt teuer war.
Die Straße führt vom Goldenen Tor zum Grünen Tor.


Seine Wurzeln hat der Lange Markt (Długi Targ) im Mittelalter und diente schon im 13. Jahrhundert als Handelsplatz. Mit der Zeit ließen sich hier reiche Bürger- und Kaufmannsfamilien nieder und bauten ihre Häuser im gotischen und barocken Stil. Im 16. und 17. Jahrhundert erlebte Danzig eine Blütephase, ein goldenes Zeitalter quasi, was sich in der opulenten Architektur des Langen Marktes widerspiegelt.



Besonders hervorzuheben sind das Uphagenhaus (Nr. 12), in dem sich heute ein Museum über die Wohnwelt des 18. Jahrhunderts befindet, das Ferberhaus (Nr. 28), das Zierenberghaus (Nr. 29) und das Schuhmannhaus (Nr. 45). Ach was, ALLE Häuser hier sind schön und sehenswert! An jedem gibt es irgendeine Besonderheit zu entdecken, sei es eine kleine Figur, die Fassadenbemalung oder besonders kunstvolle Aushängeschilder. Ich bin nicht ganz sicher, aber ich habe bestimmt gut hundert Fotos allein in dieser einen Strasse gemacht!



Ganz unerwartet war die Polnische Post (Nr. 23/28) ein weiteres Highlight. Von außen eher ein schlichter Kasten, überrascht sie mit einem opulenten Inneren: Sie hat ein tolles blaues Deckengewölbe und attraktives altes Holzmobiliar.

Rechtstädtische Rathaus
Etwa auf der Mitte der Fußgängerstraße, da wo die Langgasse in den Langen Markt übergeht, befindet sich das – durch seinen markanten, 82 Meter hohen Turm weithin sichtbare – Rechtstädtische Rathaus (Ratusz Głównego Miasta). Von weitem hielt ich es erst für eine weitere Kirche… Der ursprüngliche Bau stammt von 1327, aber nach einem Brand im Jahr 1556 wurde das Rathaus im Stil der flämischen Renaissance neu gestaltet.



Heute beherbergt es das Stadtmuseum von Danzig. Ein Besuch lohnt allein wegen der Deckengestaltung des Großen Ratssaales (auch Roter Saal). Sie ist mit 25 Gemälden geschmückt, fast schon überladen, würde ich sagen (s. Bild unten – ja, das ist die Decke!). Während des 2. Weltkrieges war die Decke ausgelagert und konnte so vor der Zerstörung bewahrt werden.

Im Sommer kann man den Turm besteigen und hat vermutlich eine großartige Sicht – bei der Lage kann es nicht anders sein. Bei meinem Besuch war dieser aber leider wegen „schlechter Wetterverhältnisse“, wie es hieß, gesperrt.
Neptunbrunnen und Artushof
Der Neptunbrunnen (Fontanna Neptuna) ist eins der Wahrzeichen von Danzig und befindet sich zentral auf dem Langen Markt. Er stammt aus dem Jahr 1633 und wurde auf Initiative des damaligen Bürgermeisters entworfen, der von einer Italienreise mit der Idee zurückkehrte, mit einem solchen Brunnen Danzigs Verbindung zum Meer betonen zu wollen.
Hinter dem Neptunbrunnen steht der Arthushof (Dwór Artusa). Dessen Ursprünge reichen zurück ins Jahr 1342, später wurde er mehrfach umgestaltet. Sein heutiges Erscheinungsbild stammt von 1617. Im 2. Weltkrieg wurde das Gebäude stark beschädigt, anschließend aber mühevoll rekonstruiert. Ursprünglich war der Artushof Treffpunkt der Hansekaufleute, eine Art Bar. Einer Legende nach stammt das Gold im berühmten Danziger Goldwasser-Likör von Neptuns Dreizack. Wahrscheinlicher erscheint es mir allerdings, dass diese Legende nach intensivem Genuss eben jenes Likörs entstanden ist…



Der Lange Markt ist etwas breiter als die Langgasse. Hier gibt es zahlreiche Cafés mit Außen-Gastronomie. Tagsüber geht es sehr trubelig zu, aber früh zum Sonnenaufgang kann man den Platz fast für sich alleine haben!



Grünes Tor
Der Platz mündet schließlich ins Grüne Tor (Zielona Brama), einem höchst eindrucksvollen Backsteinbau von 1568. Dieser war anfangs als königliche Residenz geplant, tatsächlich wurde er jedoch nie als solche genutzt. Er ist das Bindeglied zwischen dem Langen Markt und der Mottlau-Promenade.



Von der sich anschließenden Grünen Brücke (Zielony Most) hat man einen herrlichen Blick über die Mottlau.
Mottlau-Promenade mit Kranhaus
Am Ufer der Mottlau (Motława), einem Nebenfluss der Weichsel, befinden sich beidseitig Promenaden: auf der rechtstädtischen Seite mit historischen Gebäuden und mehreren Stadttoren, gegenüber auf der Speicherinsel mit modernen Häusern im Stil alter Speicher. Am Abend sind die zahlreichen Restaurants zu beiden Seiten attraktiv illuminiert.



Dominiert wird das Uferbild vom Krantor (Brama Żuraw), dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Das Stadttor stammt aus dem Jahr 1444 und war zur Zeit seiner Entstehung der größte Hafenkran der Welt. Damals befand sich der Hafen Danzigs noch an dieser Stelle und die Schiffe wurden hier be- und entladen.
Heute liegen hier eher Museums- und Ausflugsschiffe vor Anker.

Marienkirche
Die Hauptkirche von Danzig, die St. Marienkirche, liegt in der Podkramarska 5, gleich hinter dem Langen Markt. Sie ist die größte Backsteinkirche der Welt. Ein echter Koloss! Ihren Spitznamen „Dicke Marie“ trägt sie nicht zu Unrecht. Ein zweiter Beiname ist „Krone Danzigs“.
Sie wurde zwischen 1343 und 1502 gebaut und hat eine Grundfläche von rund 10.000 Quadratmetern. So gewaltig sie von außen wirkt, so filigran und leicht wirkt ihr helles Inneres. Bis zu 25.000 Menschen finden hier Platz, damit ist sie eine der größten Kirchen der Welt überhaupt.
Das Kirchenschiff ist 105 Meter lang und das Mittelschiff knapp 30 Meter hoch.


Ursprünglich war die Marienkirche evangelisch, 1955 aber wurde sie von der römisch-katholischen Kirche übernommen.
Paweł Adamowicz, der 2019 bei einem Messerattentat ermordete Bürgermeister von Danzig, ist im Querhaus der Kathedrale beigesetzt.
Ein besonderes Highlight im linken Seitenschiff ist die 12 Meter hohe Astronomische Uhr von Hans Düringer aus Nürnberg aus dem 15. Jahrhundert (Nachbau). Täglich um zwölf Uhr mittags gibt es die Vorführung des Puppentheaters mit Musik. Nett: Es stehen Klappstühle bereit, damit man das „Spektakel“ bequem im Sitzen verfolgen kann.



Spektakulär ist an klaren Tagen auch der Blick von ihrem Turm über die Rechtstadt. Den muss man sich allerdings erst verdienen: 409 Stufen muss man hoch, anfangs über eine enge Wendeltreppe, später über eine breitere Eisentreppe. Hoch schaffe ich sie recht locker, auf dem späteren Rückweg macht mir meine Höhenangst ein wenig zu schaffen. Aber ich habe es geschafft! Und die Aussicht auf der kleinen Plattform unter freiem Himmel auf etwa 82 Metern Höhe war die Mühe wert!

Frauengasse
Die Langgasse hat mehrere höchst attraktive, kleine Parallelstraßen. Die in meinen Augen schönste davon ist die Frauengasse (ul. Mariacka).
Sie liegt fast ein bisschen versteckt im Schatten der großen Marienkirche.



In der Frauengasse gibt es besonders viele der so genannten Beischläge. Beischläge sind eine Art Terrasse vor den Häusern, jeweils mit kunstvoll verzierten Säulen und Geländern, die seit dem 14. Jahrhundert im gesamten Ostseeraum verbreitet waren. Sie sollten das Erdgeschoss vor Überschwemmungen schützen.
In vielen Häusern hier befinden sich Bernstein-Geschäfte, die ihre Ware in Vitrinen auf der Straße ausstellen. Die Mariacka-Straße wird deswegen auch gern als „Bernsteinstraße Danzigs“ bezeichnet.
Außerdem gibt es einige sehr nette Cafés. Meine Favoriten sind das Cafe Kamienica und das Kawiarnia Drukarnia – in der Reihenfolge.



Bei Nebel im Herbst ist die Stimmung ganz besonders mystisch und verwunschen, teilweise fast unheimlich. Gut zu wissen, dass Jack the Ripper nicht in Danzig sein Unwesen treibt/trieb… 😉 Hier wurden Filme wie „Die Blechtrommel“ und „Die Buddenbrooks“ gedreht (interessant, dass die Buddenbrooks nicht in Lübeck, sondern in Danzig gedreht wurde, oder?).
Am Ende der Straße kommt man über das Frauentor zum Mottlau-Ufer.
Heilige-Geist-Gasse
Die Heilige-Geist-Gasse (ul. Świętego Ducha) ist eine Parallelstrasse der Frauengasse und eine ähnlich schöne, historische Straße der Innenstadt. Sie ist geprägt von Wohnhäusern reicher Kaufleute und wohlhabender Bürger. Hervorzuheben sind das Schopenhauerhaus Nr. 45/47, das Geburtshaus des Philosophen Arthur Schopenhauer, und das Schildkrötenhaus Nr. 111, das rekonstruierte Geburtshaus von dessen Mutter Johanna.
In Nr. 58, in unmittelbarer Nähe zur Marienkirche, steht die barocke Königliche Kapelle. Während meines Besuchs ist sie zu Renovierungsarbeiten eingerüstet.



Speicherinsel
Über die Grüne Brücke gelangt man zur wiederaufgebauten Speicherinsel (Wyspa Spichrzów). Aus den alten Speichern des ehemals größten Lagerhausviertel Europas, ist ein neues hoch-modernes Viertel entstanden mit angesagten Hotels und Restaurants. Die modernen Gebäude behalten den Stil der alten Lagerhäuser bei – sehr attraktiv! Heute ist das größte Lagerhausviertel – nicht nur Europas sondern der Welt – übrigens die Hamburger Speicherstadt. Auch dort hat man bei der Planung der neuen, modernen Hafen City darauf geachtet, den Stil alter Lagerhäuser beizubehalten.
Die Speicherinsel in Danzig ist 1576 nach dem Aushub des Kanalbettes der Neuen Mottlau entstanden. Seit dem 13. Jahrhundert befanden sich hier vorwiegend Getreidespeicher, im 16. Jahrhundert waren es sogar an die dreihundert.
An der Spitze der Insel gibt es eine moderne, drehbare Fußgängerbrücke. Interessant ist es, wenn sie sich dreht und Schiffe durch läßt. Ich habe in Google-Bewertungen gelesen, dass dies bis zu dreißig Minuten dauern kann. Das kann ich tatsächlich so nicht bestätigen. Vielleicht gilt das im Sommer? Jetzt im Herbst jedenfalls war das nur eine Sache von ein paar Minuten. Eher eine interessante Abwechslung als ein Ärgernis.



Bleihofinsel
Nördlich der Speicherinsel liegt eine weitere Insel, die Bleihofinsel. Im Sommer gibt es eine kleine Fähre hinüber, im Herbst muss ich zu Fuß über eine weitere (Klapp-)Brücke laufen (geöffnet zu sehen im Bild unten mittig, was aussieht wie ein Kran).
Am Ufer der Bleihofinsel ist der fotogene und Insta-taugliche GDANSK Schriftzug, den heute ja jede Stadt zu brauchen scheint, aufgestellt.
Ein paar Meter weiter liegt die MS Soldek, der erste nach dem Krieg in der Danziger Werft gebaute Frachter, vor Anker. Das Schiff gehört zum Maritimen Museum und verschafft spannende Einblicke in die maritime Geschichte der Stadt.



Vom südlichen Zipfel der Insel hat man übrigens den besten Fotoblick auf die Uferpromenade und das Krantor!
Altstadt
Nördlich der prächtigen Rechtstadt schließt sich die bescheidenere, aber nicht weniger interessante Altstadt von Danzig an. Sie ist etwas kleiner und älter als die Rechtstadt und gehörte bis ins 15. Jahrhundert zum Deutschen Orden.
Während die Rechtstadt den pompösen Reichtum und die Macht Danzigs widerspiegelt, war die Altstadt eher von Handwerkern und Fischern geprägt.
Altstädtisches Rathaus und Heveliusplatz
Das Altstädtische Rathaus (Ratusz Starego Miasta) ist ein zierlicher Backsteinbau aus dem 16. Jahrhundert und ein zauberhaftes Beispiel der Danziger Renaissance. Es befindet sich an der ul. Korzenna 35 (dt. Pfeffergasse) unweit des Radaunekanals (Kanał Raduni). Heute ist hier das Westbaltische Kulturzentrum untergebracht.
Davor liegt der Heveliusplatz, der nach dem berühmten Danziger Astronomen Johannes Hevelius (1611–87) benannt ist. Hevelius gilt als einer der Begründer der modernen Mondtopografie. Ein Denkmal desselbigen steht mittig auf dem Platz und zieht viele polnische Touristen an, die hier für Familienfotos posieren.
Hevelius war neben seiner Tätigkeit als Astronom auch Vorsitzender des Stadtrats im Altstädtischen Rathaus. Sein Observatorium finanzierte er allerdings durch einen weiteren Nebenjob: er war Bierbrauer! Ein Multi-Talent! Bis heute ist Hevelius-Bier eine bekannte Bier-Marke in Polen.


Brotbrücke
Gleich nebenan hat man von der Brotbrücke, einer Kanalbrücke aus dem 14. Jahrhundert, einen großartigen Blick auf die große Mühle und die dahinter liegenden Kirchen. Am Geländer der Brücke haben Paare Liebesschlösser angebracht.
Von der Brücke ergibt sich ein wunderbarer Blick auf das Haus der Müller-Zunft (Dwór Cechu Młynarzy) aus dem Jahr 1771. Das hübsche Fachwerkhaus war Gerichtsgebäude, diente als Brauerei, als Gefängnis und als Museum. Ich glaube, inzwischen beherbergt es ein Restaurant.



Große Mühle und Kleine Mühle
Gleich dahinter schließt sich die Große Mühle (Wielki Młyn) an, eines der beeindruckendsten mittelalterlichen Industriebauten Europas, wie ich las. Nun, attraktiv, durchaus, aber das erscheint mir etwas hoch gegriffen.
Wie auch immer, früher, im 14. Jahrhundert, wurde die Mühle von gewaltigen Wasserrädern angetrieben. Die nur wenige Meter entfernte Kleine Mühle (Mały Młyn), lässt darauf schließen, welch wichtige Rolle der Müller-Stand im Mittelalter im Leben der Danziger einnahm.
Heute beherbergt die Große Mühle ein modernes Bernsteinmuseum. Bernstein wird auch „das Gold der Ostsee“ genannt und ist in der Stadt quasi allgegenwärtig.


Katharinenkirche und Brigittenkirche
Und es geht sofort weiter. In Wurfdistanz liegen gleich zwei gotische Kirchen dicht beieinander, die Katharinenkirche (Kościół Św. Katarzyny) aus dem 13. Jahrhundert und die Brigittenkirche (Bazylika św. Brygidy).
Die Katharinenkirche ist die älteste Kirche Danzigs, sie stammt von 1185. Sie brannte seitdem mehrfach aus, zuletzt 2006.
Eine Besonderheit der Katharinenkirche ist ihr Glockenspiel, das vor dem 2. Weltkrieg das Größte Europas war. Während des Krieges wurden die Glocken als „Metallspende“ aus der Kirche entfernt. 28 von ihnen wurden vor der Einschmelzung bewahrt, indem sie im Glockenspiel der Lübecker Marienkirche verbaut wurden. Nach dem Krieg wurde es wieder hergestellt: 1989 wurde das 49 Glocken umfassende Geläut eingeweiht. Täglich um 13 Uhr erklingt Beethovens „Freude, schöner Götterfunken“.
In der Katharinenkirche befindet sich übrigens auch das Grab von Johannes Hevelius.


Die Birgittenkirche hat eine wilde Vergangenheit, auch sie fiel wiederholt Bränden zum Opfer. Während der Besetzung Danzigs durch Napoleons Truppen 1807 wurden die Kirche und das dazugehörige Kloster als Kaserne genutzt. Im 2. Weltkrieg brannte die Kirche erneut ab, die letzten noch erhaltenen Reste brannten schließlich 1957 nieder. Erst 1987 war der Wiederaufbau beendet.
Während der Solidarność-Bewegung war die Brigittenkirche ein Zentrum des Widerstands gegen die sozialistische Regierung, da die benachbarte Danziger Werft zu dieser Pfarrei gehörte. Sie wurde ein Treffpunkt der Gewerkschaft um Lech Wałęsa. In sozialistischer Zeit wurde hier vom passiven Widerstand gepredigt, wodurch die Brigittenkirche eine besondere, politische Berühmtheit erlangte.
Das Besucher-Highlight ist heute der elf Meter hohe Bernstein-Altar. (Er ist größer als das berühmte verschollene Bernsteinzimmer in St. Petersburg!) Fertig ist er bis heute nicht, viel mehr wird er als „wachsendes“ Kunstwerk bezeichnet, das durch Spenden kontinuierlich erweitert wird. Der Altar ist den 28 Werftarbeiter gewidmet ist, die bei Protesten 1970 ums Leben kamen.
Der Besuch kostet sechs Zloty Eintritt (Stand Oktober 2025).


Nikolaikirche
Nur drei Minuten zu Fuß entfernt steht die nächste sehenswerte Kirche – die Nikolaikirche (Bazylika św. Mikołaja). Sie ist die einzige gotische Backsteinkirche Danzigs, die 1945 nicht niederbrannte.



Mir gefällt die Dominikaner-Kirche ganz besonders gut. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie mitten am Tag für mich alleine habe, die Touristen in der Stadt scheinen sich auf andere Kirchen zu konzentrieren. Dabei ist sie in meinen Augen nicht weniger eindrucksvoll als andere und in ihrer Farbgebung (schwarz, weiß, gold) besonders schön. „Von außen eine abweisende Festung, ist sie innen ein Tempel der Fülle“, schreibt der DuMont Direkt Reiseführer.
Großes Zeughaus
Und wiederum nur ein paar Meter weiter sind es bis zur östlichen Frontseite des Großen Zeughauses Großen Zeughaus (Wielka Zbrojownia), einem höchst eindrucksvollen Giebelhaus aus dem Jahr 1609 mit kunstvoll verzierter Fassade, das als Waffenarsenal diente. Das Gebäude wird gerade restauriert, weshalb ich es blöderweise nur als Baustelle erlebe. Ein Jammer! Andererseits natürlich gut, dass sich die Stadt um ihre Baudenkmäler kümmert!
Übrigens ist das Gebäude von zwei Seiten sehenswert – auf der einen Seite zur Jopengasse (ul. Piwna, siehe Bilder), auf der anderen Seite zum Erbsenmarkt (Targ Grochowy).



Museum der Polnische Post
Als am 1. September 1939 deutsche Truppen einen polnischen Armee-Stützpunkt auf der Westerplatte sowie die Postämter der Stadt Danzig angriffen, war das der Beginn des 2. Weltkrieges.
Zum Zeitpunkt des deutschen Angriffs befanden sich etwa 50 Post-Mitarbeiter in der Post. Sie leisteten erbitterten Widerstand. Erst nach 14 Stunden heftiger Gegenwehr gaben sie auf. Sie wurden anschließend von deutschen Kriegsgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet.
In dem roten Backsteingebäude befindet sich heute zum Gedenken an die Opfer ein Museum (wird 2025 gerade renoviert und ist geschlossen).
Die Belagerung der polnischen Post wird übrigens auch im Roman von Günter Grass „Die Blechtrommel“ literarisch sowie im gleichnamigen Film dargestellt.



Museum des 2. Weltkriegs
Nur vier Minuten weiter, gerade über den Radaunekanal, gibt es ein modernes architektonisches Highlight: das Museum des 2. Weltkriegs (Muzeum II Wojny Światowej).
Das Gebäude ist spektakulär – ein ca. 40 Meter hoher Kubus, der sich bedrohlich neigt -, entworfen wurde es vom Architekturbüro Kwadrat in Gdynia.
Dass der 2. Weltkrieg in Danzig begann, dürfte allgemein bekannt sein. Stimmig also, dass es hier ein großes Museum gibt, dass sich intensiv mit dem Thema befasst. Das von der Regierung Donald Tusks 2008 geplante Museum ist das erste dieser Art im Nachkriegs-Polen.
Seit der Eröffnung im Jahr 2017 ist es ein Publikumsmagnet, ein beliebtes Ziel auch für Schulklassen.
An Ort und Stelle ist diese dunkle Epoche der Geschichte sehr präsent. Nie zu vergessen: Fast sechs Millionen Polen (davon etwa die Hälfte Juden) verloren im 2. Weltkrieg ihr Leben!
Das Museum ist in Polen sehr umstritten. Einen sehr interessanten Artikel dazu habe ich bei Zeitgeschichte Online gefunden.

(Nicht nur) Bei schlechtem Wetter ist das Museum eine großartige Wahl – man kann hier locker den ganzen Tag verbringen!
Montownia Foodhall
Ein absolutes Highlight meiner Danzig-Reise ist die Montownia Foodhall. Diese erwartete ich eigentlich in einem alten, abgerockten Industrie- oder Hafengebiet. Tatsächlich befindet sie sich in einem Neubaugebiet, das zum erweiterten Kreis der gerade neu entstehenden Young City gehört.
Die „Young City“ ist ein Stadtentwicklungsprojekt auf dem geschichtsträchtigen Gelände der ehemaligen Danziger Werft, wo die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc ihre Anfänge hat. Die alten Hafen- und Industrieflächen werden rund um das Kaiserbecken in Wohnflächen und interessante Gewerbeflächen umgewandelt. Die Gegend mausert sich zu einem beliebten Ausgehviertel mit Restaurants, Bars und Clubs und anderen Freizeitaktivitäten, auch wenn derzeit noch allerorten betriebsame Bautätigkeit vorherrscht.
Parallelen sind erkennbar mit der Hamburger Hafen City und der Waterfront im dänischen Aalborg.
Foodhall muss ich nicht weiter erklären, glaube ich. Hingehen! Ausprobieren! Genießen!
Geöffnet ist täglich von 7 bis 24 Uhr. Mehr Infos auf der Website.


Europäischen Zentrums der Solidarność (ECS)
Von der Kaiserwerft ist es nicht weit zum Solidarność–Zentrum.
Das 42 Meter hohe Denkmal der gefallenen Werftarbeiter auf dem Plac Solidarności, das vor den Toren der ehemaligen Lenin-Werft steht, läßt sich kaum übersehen. Drei stählerne Kreuze erinnern an die über 45 Menschen, die bei den dramatischen Streiks 1970 erschossen wurden. Das Denkmal ist Teil des Europäischen Zentrums der Solidarność (Europejskie Centrum Solidarności), das hier 2014 eröffnete, eine Einheit aus Museum über die Gewerkschaft, ihrem Zentralarchiv, einer Multimedia-Bibliothek und einem Bildungszentrum.


Auf dem Gelände der Lenin-Werft entstanden die Proteste, die die Gewerkschaft Solidarność mit ihrem Anführer Lech Walesa in den 1980er-Jahren organisierten, die letztlich zum Niedergang des kommunistischen Regimes in Polen führten. In der Folge fielen auch der Eiserne Vorhang und die Berliner Mauer, es kam zur Auflösung der Sowjetunion. Ein kleiner Zeitraffer. Aber hier nahm die Bewegung ihren Anfang.
Das Museums-Gebäude ist architektonisch sehr interessant. Die rostige Fassade erinnert an die Arbeit im Hafen. Die gesamte Anlage vereint neue und historische Elemente, z.B. ist das berühmte Tor 2 erhalten, vor dem sich damals die Hafenarbeiter täglich versammelten und verbarrikadierten. Neben dem Tor steht noch das zum Souvenirladen umfunktionierte Pförtnerhäuschen.

Der Bau des Zentrums wurde mit 51 Mio. Euro von der EU gefördert.
Weitere Infos auf der Website.



Fazit
Danzig ist in der Tat ein tolles Ziel für einen Städtetrip, mit einer wunderhübschen Altstadt, gemütlichen Cafés und super-interessanten Museen. Und es ist nur ein Katzensprung bis ans Meer. Ideal!
Und mit dem Zug läßt sich außerdem stressfrei und preisgünstig die weitere Umgebung erkunden, falls noch Zeit übrig ist.
Auch die Anreise geht ganz easy mit der Bahn ab Berlin.


