Jüdischer Friedhof Weißensee

Berlin: Jüdischer Friedhof Weißensee

Das weitläufige, parkähnliche Gelände des jüdischen Friedhofs im Berliner Stadtteil Weißensee wirkt gänzlich verwunschen, als ich im September 2023 das erste Mal hier hin komme. Außer einer Handvoll Gärtner, die alle freundlich grüßen, treffe ich bei meinem Spaziergang niemanden. Ich bin komplett alleine unterwegs! Die Geräusche der Stadt scheinen weit weg, nur das Gezwitscher der Vögel begleitet mich. An diesem Spätsommertag ist es recht heiß in der Stadt, aber unter den Schatten spendenden Bäumen läßt es sich gut aushalten. Und so laufe ich weiter und weiter, ganz versunken ins Entziffern der Grabinschriften. Jüdischen Familiennamen wie Hirsch, Stern, Silberstein, Rosenkranz, Treuherz, Loewenherz oder Morgenstern sind so hübsch!

Geschichte

Der Friedhof stammt aus dem Jahr 1880. Er ist einer von vier jüdischen Friedhöfen in Berlin und einer von zweien, auf denen auch nach Ende des 2. Weltkrieges noch Beisetzungen stattfinden. Seit den 1970er Jahren steht er unter Denkmalschutz

Flächenmäßig ist er der größte jüdische Friedhof Europas und umfasst etwa 116.000 Grabstellen. Da jüdische Friedhöfe für die Ewigkeit angelegt sind, d.h. die Auflösung von Gräbern nicht vorgesehen ist, sind große Friedhöfe nicht ungewöhnlich.

Jüdischer Friedhof Weißensee Berlin

In der Nähe des Haupteinganges befindet sich ein Rondell mit einem Stein zum Gedenken an die Millionen Juden, die Opfer der Verfolgung durch die Nazis wurden.

In Folge der Schikanen durch die Nazis und aus Angst vor der bevorstehenden Deportation begingen in der Zeit zwischen 1941 und 1945 viele Juden Selbstmord. Etwa 1.900 von ihnen sind hier bestattet.

In dieser Zeit versteckten sich auch viele Juden auf dem riesigen, unübersichtlichen Gelände, um sich den Zugriffen der Gestapo zu entziehen. Häufig nutzen sie dafür die groß angelegten Familiengruften. Interessant ist, dass dieser Friedhof – im Gegensatz zu vielen anderen in Deutschland – von den Nazis nicht geschändet wurde. Der Grund dafür ist nicht ganz klar, aber es ging wohl der Aberglaube um, auf dem Friedhof treibe ein Golem sein Unwesen. Statt ihrer schickten sie aber jüdische Zwangsarbeiter auf den Friedhof, um Metall „als Spende an das deutsche Volk“ zur Herstellung von Kriegsgerät zu sammeln.

1944 wurden bei einem Angriff mit Brandbomben auf die Stadt tausende Gräber, die zweite Trauerhalle und ein Teil der darin versteckten 500 Thorarollen zerstört oder beschädigt. Für etwa 90 beschädigte Thorarollen gibt es in Reihe A1 eine eigene Begräbnisstätte.

Mazewa

Ein jüdischer Grabstein heißt Mazewa (dt. Denkmal). Er wird ein Jahr nach der Beisetzung in einer besonderen Zeremonie aufgestellt und symbolisiert die Verpflichtung, die Toten nicht zu vergessen. Beim Besuch des Grabes ist es Brauch, dass Angehörige einen kleinen Stein auf den Grabstein legen, um zu zeigen, dass der Verstorbene nicht vergessen ist.

Einige der Gräber spiegeln die soziale Entwicklung Berlins zur Zeit der Entstehung des Friedhofs wider. Viele wohlhabende Berliner Juden bevorzugten jetzt prunkvolle (Familien-) Gräber, wobei sie sich an den pompösen Grabgestaltungen der Wilhelminischen Ära orientierten. Das ist auf jüdischen Friedhöfen eher ungewöhnlich. Sonst sind jüdische Grabstätten eher auffallend schlicht gehalten. In anderen Bereichen des Friedhofs, wo die Angehörigen der Mittelschicht ihre Toten bestatteten, finden sich auch deutlich schlichtere Gräber. Beides sehenswert!

Jüdischer Friedhof Weißensee Berlin

Viele der Gräber und Wege sind von Moos und Efeu überwuchert, manche Grabsteine fast versunkenen.

Die Atmosphäre ist mystisch. Hier kann man locker einen halben Tag verbringen!

Trauerhalle

Die 1880 errichtete Trauerhalle stammt von von Hugo Licht. Das Besondere ist die strenge geometrische Aufteilung in einzelne Felder in Form von Rechtecken, Trapezen und Dreiecken. Ihre Akustik wurde schon zur Zeit ihrer Einweihung hoch gelobt!

Eine später erbaute zweite Trauerhalle wurde im Krieg zerstört.

Praktische Informationen

Der Friedhof liegt im Ortsteil Weißensee des Berliner Bezirks Pankow.

Anfahrt

Bus 156 oder 200 bis Haltestelle Michelangelostr.

Tram M4 oder M13 bis Haltestelle Albertinenstr.

Adresse: Der Eingang befindet sich am Ende der Herbert-Baum-Straße 45, einer Querstraße der Berliner Allee.

Öffnungszeiten

1. April bis 30. September: Mo bis Do 7.30 bis 17 Uhr, Fr 7.30 bis 14.30 Uhr, So 8 bis 17 Uhr

1. Oktober bis 31.März: Mo bis Do 7.30 bis 16 Uhr, Fr 7.30 bis 14.30 Uhr, So 8 bis 16 Uhr,

Schabbat (Samstag) und Feiertage geschlossen

Hinweis: Männer sind angehalten, beim Besuch des Friedhofs ihren Kopf zu bedecken. Am Eingang besteht die Möglichkeit bei Bedarf eine Kippa auszuleihen.

Jüdischer Friedhof Weißensee Berlin

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